Leitfaden 2.0 - ein nicht nur roter Faden für eine große Aufgabe
1. Warum muss das sein? Konkret, klar und deutlich.
Auf den Punkt gebracht: wir haben noch immer die Gebäudestruktur aus den 90er Jahren, sind aber auf weniger als die Hälfte der Mitglieder geschmolzen. Einem stetig ansteigenden Sanierungsstau stehen kontinuierlich sinkende Einnahmen durch die Kirchensteuer gegenüber.
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Genauer gesagt...
Die Kirchengemeinden in der EKKW haben eine beachtliche Anzahl von Gebäuden in ihrem Besitz. In nahezu jedem Ort bzw. Ortsteil gibt es mindestens ein kirchliches Gebäude. Aktuell gibt es im Bereich der Landeskirche 2.977 Gebäude im kirchlichen Eigentum.
Darunter sind 1079 Kirchen, 507 Pfarrhäuser, 104 Kitas, 475 Gemeindehäuser sowie 812 sonstige Gebäude. Das kirchliche Leben findet in Kirchen, Gemeindehäusern, Kindertagesstätten und auch Pfarrhäusern statt. Daneben gibt es weitere Gebäude wie Friedhofskapellen, Mietshäuser oder auch etwa ein Restaurant auf dem Christenberg.
Diese flächendeckende Ausstattung mit Gebäuden verdankt sich der Tatsache, dass bis etwa 1990 ca. 95% der Bevölkerung evangelisch oder katholisch waren. Die Einnahmen aus den Kirchensteuern haben bis zu diesem Zeitpunkt den Bau neuer Gebäude und die Unterhaltung vorhandener Gebäude nebeneinander ermöglicht.Noch 20% Evangelisch
Doch seither hat sich unsere Gesellschaft erheblich verändert. Im Jahre 2024 waren nur noch etwa 46% der Bevölkerung evangelisch oder katholisch. Wir sind von einer überwältigenden Mehrheit zu einer Minderheit geworden. Die Einnahmen durch die Kirchensteuer haben sich entgegen der Mitgliedertendenz noch lange nach oben entwickelt. Das hat mit Lohnsteigerungen zu tun und damit, dass die Boomer noch voll im Arbeitsleben standen. In den letzten 25 Jahren hat man sich auf den Erhalt von Gebäuden konzentriert.
Sanierungsstau und fehlende ernergetische Optimierung
Dabei entstand ein erheblicher Sanierungsstau und zudem wurden keine ausreichenden Rücklagen für die Gebäude gebildet. Viele Gebäude wurden „abgewohnt“ oder „abgenutzt“. Wichtige Sanierungsmaßnahmen, besonders im Bereich der energetischen Optimierung, stehen bis heute aus.
Und nun kommen viele Probleme zusammen: Die Einnahmen durch die Kirchensteuer gehen nun auch messbar und deutlich zurück. Die große Zahl der Babyboomer geht alsbald in Rente oder Pension und ein ausgleichender Nachwuchs bleibt aus. Das betrifft uns doppelt, weil in der jungen Generation die Anzahl der Kirchensteuerzahlenden deutlich geringer ist als in den Jahrgängen, die jetzt aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Der Sanierungsdruck bei vielen Gebäuden erreicht jetzt eine kritische Marke, an der eine Entscheidung getroffen werden muss. Erste Pfarrhäuser mussten trotz einer vollen Pfarrstelle bereits aufgegeben werden.Bereits 2040 sinken die Einnahmen deutlich unter 50%
Die Freiburger Studie hat zunächst errechnet, dass im Jahr 2060 das Kirchensteueraufkommen nur noch 38 % der Kaufkraft des Jahres 2021 haben wird. Durch Corona hat sich die Kurve sogar nochmal verschärft, so dass wir davon ausgehen müssen, dass dies bereits um das Jahr 2040 herum der Fall sein wird. Die Landeskirche plant, dass bereits im Jahre 2035 nur noch 50% der momentan zur Verfügung stehenden Baumittel verfügbar sein werden. Sie geht dabei davon aus, dass man mit der Hälfte der Mittel rund 30% der Gebäude auch weiterhin finanziell unterstützen kann.
Ampelsystem für Antragsberechtigung
Darauf basiert der bereits 2015 angestoßene und 2024 von der Landessynode beschlossene Prozess der Einteilung der Gebäude in die Farben Grün (weiterhin antragsberechtigt für Baumittel), Gelb (keine Baumittel mehr, Empfehlung zur erweiterten Nutzung und Fremdfinanzierung) und Rot (keine Baumittel mehr, Empfehlung zur Ab- oder Aufgabe)
Um es auf den Punkt zu bringen: wir haben noch immer die Gebäudestruktur aus den 90er Jahren, sind aber auf weniger als die Hälfte der Mitglieder geschmolzen. Einem stetig ansteigenden Sanierungsstau stehen kontinuierlich sinkende Einnahmen durch die Kirchensteuer gegenüber. Wir ziehen daraus den Schluss, dass für die überwiegende Anzahl unserer Gebäude eine alternative Finanzierung oder eine Abgabe bzw. Aufgabe erfolgen muss.Toolempfehlungen: Synodenbeschluss 2024, Synodenbeschluss 2025, Leitfaden EKKW 2024, Gemeindefahrplan 2024 EKKW, Workshop Sammlungsraum, Präsentation Twiste-Eisenberg
2. Wo stehen wir und was müssen wir jetzt tun?
Auf den Punkt gebracht: die Eigenverantwortung für die Gemeinden wächst und es braucht fortlaufend angepasste, realistische und verantwortliche Entscheidungen.
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Genauer gesagt...
In der Frühjahrssynode 2024 wurde der Beschluss gefasst, dass die Kirchenkreise bis zum 1. Januar 2026 einen Gebäudeplan aufstellen sollen, in dem die Gebäude nach den Farben Grün, Gelb und Rot sortiert werden. In der Folge der Beschlüsse zeigte sich, dass manche Fragen noch nicht genau beantwortet waren und auch unterschiedlich beantwortet werden können.
Pfarrhäuser fallen nun unter die grünen Gebäude
Beispielsweise gab es im Sommer 2024 die Absprache und Empfehlung, dass die Pfarrhäuser mit der Farbe Gelb markiert werden können, weil mit ihnen eine Mieteinnahme erzielt werden könne. Später zeigte sich dann, dass der bei den Pfarrgehältern einbehaltene Ortszuschlag nicht ausgezahlt werden kann. Das ist finanziell nicht darstellbar. Also müssen die Pfarrhäuser ebenfalls zu den grünen Gebäuden gezählt werden. Dies kann entweder dadurch geschehen, dass bis zu 30% der Pfarrhäuser von vorneherein mit Grün markiert werden oder, wenn bisher keine Pfarrhäuser auf der „grünen“ Liste stehen, indem zusätzlich bis zu 30% der Pfarrhäuser grün markiert werden. Der Zuweisungsbetrag bleibt in beiden Fällen gleich. Diese Unterscheidung war notwendig, weil die Kirchenkreise hier unterschiedliche Wege gegangen sind.
Festlegung der gelben und roten Gebäude bis 2027 möglich
Als dann deutlich wurde, dass im nächsten Doppelhaushalt die Zuweisungen wie bisher bleiben werden und damit also auch in den Jahren 2026 und 2027 noch gebäudebezogene Mittel für gelbe und rote Gebäude zugewiesen werden, ergab sich eine sinnvolle Möglichkeit, den Entscheidungsprozess zu strecken. Lag der Fokus bisher stark auf den grünen Gebäuden, liegt er jetzt und vor allem im nächsten Jahr stark auf der Entscheidung zwischen gelb und rot. Hier auf dieser Seite finden Sie nicht nur den Leitfaden 2.0, sondern auch häufig gestellte Fragen samt den Antworten, in denen der aktuelle Sachstand wiedergegeben wird. Es lohnt sich, dort immer wieder mal reinzuschauen.
Für die anstehenden Entscheidungen will dieser Leitfaden so etwas wie ein „roter Faden“ sein. Am Ende wird eine Empfehlung für gelb oder rot stehen, also keine Festlegung oder gar Aufforderung, ein Gebäude sofort zu verkaufen. Es liegt ein Entscheidungsweg vor den Kirchengemeinden als Besitzerinnen der Gebäude und es wird definitiv nicht möglich sein, bis zum 1. Januar 2027 für jedes Gebäude ein Nutzungskonzept samt Finanzierungsplan fertigzustellen. Dieser Entscheidungsweg wird einige Jahre andauern.An oberster Stelle steht die lokale und sozialräumliche Analyse zu den Perspektiven des Gebäudebestandes. Deshalb bleibt die Empfehlung auch durchlässig. Ein gelbes Gebäude kann auch zu einem roten werden, wenn sich die Finanzierung trotz anfänglicher Hoffnung nicht realisieren lässt. Und wenn sich auf der anderen Seite ein Sponsor oder ein Verein o.ä. für ein rotes Gebäude interessiert und die Finanzierung dann doch möglich erscheint, wird dieses Gebäude zu einem gelben, wenn es nicht an den Interessenten verkauft wird.
Verkehrssicherungspflicht liegt bei Gemeinden
Die Weichenstellungen sind in diesem Prozess von zentraler Bedeutung. Schon jetzt haben die Kirchengemeinden als Gebäudeeigentümerinnen die Verantwortung für die Verkehrssicherung und nötigenfalls die Abrisskosten für ihre Gebäude zu tragen. Dafür wird es künftig keine landeskirchlichen Budgets mehr geben. Die Abwägung muss also realistisch erfolgen und ist sicher eine Herausforderung. Deswegen versuchen die Prozessverantwortlichen den Kirchengemeinden für diese Weichenstellungen Instrumente und Werkzeuge zur Seite zu stellen, die praxistauglich und zielführend sind. Diese finden Sie in unserem Werkzeugkasten auch auf diesen Seiten. Einfach auf das klicken, was Sie interessiert.
Für jedes Gebäude sollte die Kirchengemeinde als Besitzerin eine Analyse vornehmen und bestenfalls gibt es auch im Kooperationsraum gemeinsame Ideen für zukünftige Standorte und die gemeinsame Nutzung von Gebäuden.Befristete Anreize für Verkauf von Immobilien
Die Landeskirche hat bereits jetzt einen Anreiz geschaffen, aktiv und zukunftsorientiert in den Prozess zu gehen. Für bebaute Liegenschaften auf Pfarreigelände gilt bis Ende 2030, dass neben dem Erlös für das Gebäude auch die Hälfte des Grundstückwertes bei der Kirchengemeinde verbleiben kann. Damit soll eine zukunftsfähige Aufstellung der Kirchengemeinden unterstützt werden. Wir empfehlen also, sich umgehend auf diesen Weg zu begeben.
Eigenverantwortung der Gemeinden wächst
Deutlich absehbar ist, dass die Lösungen nicht mehr “von oben” kommen, sondern vor Ort gefunden werden müssen. Es wird keine Lösung für die baulichen Herausforderungen vor allem der gelben und roten Gebäude geben, wenn sie nicht vor Ort und zunehmend auch regional gefunden wird.
Natürlich können Kirchengemeinden sich auch diesem Entscheidungsprozess entziehen und die Dinge einfach auf sich zukommen lassen. Dafür spricht, dass sehr viele Gebäude noch etliche Jahre einfach so weiterlaufen können ohne großen Aufwand. Das wäre aus unserer Sicht allerdings nicht zielführend und führt nur zeitversetzt zu persönlichen wie finanziellen Überforderungen. Die Kosten für die Gebäude steigen stetig und engen so den Spielraum für Ausgaben in Bezug auf die inhaltliche Arbeit zunehmend ein. Konstruktives und realistisches Handeln ist deswegen das Gebot der Stunde.
Hier stellen wir Ihnen einen Weg vor, der Ihnen bei diesen Entscheidungsprozessen helfen soll. Es ist ein Dreischritt aus Wahrnehmen, Urteilen und Handeln.Toolempfehlungen: Intelligent Shrinking, Leitfaden für Gespräche mit Kommunen
Moderatin und Mediation
2.1. Realistisch wahrnehmen
Auf den Punkt gebracht: Auch wenn es schwerfällt, müssen wir die Lage nüchtern und realistisch betrachten und uns bei der Beurteilung nicht von Gefühlen, sondern vor allem von Fakten leiten lassen.
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Genauer gesagt...
Mit den einzelnen Gebäuden ist in der Regel eine lange Geschichte von emotionaler Bindung, handwerklichem Engagement und oft auch sehr persönlicher Erinnerung verbunden. Viele Gebäude wurden in den Jahrzehnten nach dem Krieg mit einem erheblichen ehrenamtlichen Engagement gebaut. Noch heute sitzen einige Menschen in den Kirchenvorständen, die diese Gebäude selbst mit aufgebaut haben. Es ist eine auch emotionale Herausforderung, sich der Frage der Zukunft der Gebäude zu nähern, ohne dabei dies alles mitzunehmen.
Fehlende Rücklagen
Und doch ist es unabdingbar, dies zu tun. Wir haben in der Vergangenheit für die Gebäude keine ausreichenden Rücklagen gebildet und der bauliche Zustand ruft immer öfter immer lauter nach einer echten Sanierung.Fragen auf dem Weg in die Zukunft
Dieser Herausforderung kann man nur begegnen, wenn man sich den Fragen stellt. Solche Fragen sind:
- Wissen wir eigentlich genau, wie wir in Zukunft Kirche vor Ort sein wollen und welche Räume wir dafür eigentlich brauchen?
- Gibt es bereits einen Plan oder Überlegungen für die Zukunft des Gebäudes?
- Wofür und wie oft wird das Gebäude von wem genutzt?
- Hat die katholische Kirchengemeinde, eine andere kirchliche Gemeinschaft oder die Kommune ein ähnliches Gebäude vor Ort?
- Wer und wie viele Menschen finden das Gebäude unverzichtbar für den Ort?
- Was kostet uns dieses Gebäude im Moment realistisch und wie viel Geld bräuchten wir, um es
langfristig zu unterhalten oder gar zu sanieren?
- Ist der Betrag realistisch aufzubringen? Und wenn ja, wie?
- Haben wir bereits Mieteinnahmen oder können wir diese ermöglichen? Wie hoch müsste eine
Miete sein, um wirtschaftlich planen zu können? Ist das realistisch erreichbar?
- Wer hat außerhalb der Gemeinde Interesse an diesem Gebäude?
- Welche öffentlichen Gebäude gibt es denn noch im Ort und könnte man da auch ggf.
zusammenarbeiten?
-Was würde passieren, wenn dieses Gebäude nicht mehr als kirchliches Gebäude betrieben wird? Könnte man und wenn ja wo und wie könnte man als Gemeinde alternativ die eigenen Angebote verwirklichen?
- Hat das Gebäude einen Marktwert und gäbe es Interessenten dafür?Vorhandenes Wissen und Instrumente nutzen
Um Fragen wie diese zu beantworten, braucht es einige Gespräche. Gesprächspartner sind zunächst die Kirchenkreisämter, wo bereits viele Daten zu den Gebäuden gesammelt werden. Darüber hinaus aber auch die Kommunen, Vereine, ggf. auch örtliche Betriebe, Diakonische Einrichtungen und andere Bezugsgruppen, die in dem Sozialraum, in dem das Gebäude steht, eine Rolle spielen. Möglicherweise lassen sich Synergien erzeugen oder sogar gemeinsame Interessen feststellen. Für diesen Schritt sollten Sie auch möglichst viel Fachwissen einbeziehen. Sie kennen Fachleute, die Sie beraten können? Wunderbar, nutzen Sie deren Fachwissen.
Mit den Instrumenten aus der Toolbox können Sie wichtige Informationen bündeln. Damit schaffen Sie eine Grundlage für die Entscheidung in Richtung gelb oder rot.Toolempfehlung: Beratungsangebote, Gebäudematrix, Workshop Sozialraum, midi Tools und Workshops, Marktwerteinschätzung bzw. Gutachten, Gebäude-Canvas, Gemeindesteckbrief, Digitale Übersicht ev. und kath. Gebäude,
2.2. Realistisch Urteilen
Auf den Punkt gebracht: Entscheidungen müssen getroffen werden, auch wenn der Blick auf die Realität schmerzhaft ist.
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Genauer gesagt...
Wenn Sie die Informationen gesammelt haben, Gespräche stattgefunden haben und die Möglichkeiten abgeklopft wurden, kommt die Phase der Entscheidung. Besser formuliert kommt die Phase, in der man eine Richtungsentscheidung trifft.
Gelbe und rote Gebäude folgen verschiedenen Pfaden
Eine Weichenstellung ist auch deshalb wichtig, weil beide Korridore wiederum eigene Schritte und Maßnahmen umfassen. Für jedes Gebäude alles zu machen, also etwa gleichzeitig einen Förderkreis bzw. Förderverein zu gründen und an einer Abschiedsliturgie zu arbeiten, ist nicht zielführend und ausgesprochen kraftraubend. In dieser Phase braucht es vor allem eine gute Kommunikation, möglichst eine kompetente Moderation und wenn es nötig ist auch eine Mediation. Streit und Enttäuschung, Verletzungen und Meinungsverschiedenheiten sind kaum auszuschließen. Umgekehrt ist es wichtig, dies alles auch zuzulassen und angemessen damit umzugehen.Konflikte moderieren
Sie sollten nicht damit rechnen, dass es Ihnen gelingen wird, alle Menschen mitzunehmen bei Ihrer Entscheidung. Umso wichtiger ist es, dass Sie sich hierfür Zeit nehmen und Unterstützung in Anspruch nehmen. Es gibt Möglichkeiten, einen Workshop zu buchen mit externer Moderation. Sie erhalten Unterstützung bei der Kommunikation, etwa wenn Sie Artikel für den Gemeindebrief o.ä. verfassen wollen.
Und wenn es in der Gemeinde zu einem Konflikt kommt, stehen Ihnen in unserer Landeskirche Mediatorinnen und Mediatoren zur Verfügung, die Sie begleiten und dabei unterstützen, zu einem Ausgleich der Interessen zu kommen.Tragfähige Zukunftsbilder entwickeln
Motivierend und aktivierend können auch Vorträge und Workshops sein, die Ihnen ein Bild von einer zukünftigen kirchlichen Struktur vermitteln und Sie dabei unterstützen, solche tragfähigen Bilder selbst zu entwickeln.
Am Ende dieses Prozesses haben Sie eine Vorstellung davon und eine Entscheidung getroffen, ob das betreffende Gebäude auch ohne kirchliche Baumittelzuweisungen erhalten werden kann. Die Weiche kann also in Richtung Erweiterte Nutzung und Fremdfinanzierung (gelb) oder rot (Ab- oder Aufgabe) gestellt werden.Toolempfehlung: Workshop Entscheidungsraum, Gebäudegutachten, Moderation, Mediation, Kommunikation, Gebäudeplanung und Jugendarbeit
2.3.1. Realistisch Handeln: Gelb oder Empfehlung zur erweiterten Nutzung und Fremdfinanzierung
Auf den Punkt gebracht: Sie werden es in der Regel nur gemeinsam mit anderen Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern schaffen, eine nachhaltige Zukunft für ein Gebäude zu sichern.
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Genauer gesagt...
Wenn Sie nach dem Sammeln der Daten feststellen, dass ein Gebäude von hohem Interesse ist und vielfältig genutzt werden kann, dann haben Sie eine wichtige Grundlage für die Empfehlung gelb erreicht.
Partner suchen: Diakonie, Kommune und Co.
Vielleicht hat die Kommune bzw. Stadt signalisiert, dass sie sich eine Zusammenarbeit oder gar eine Mitnutzung vorstellen kann. Oder ein diakonischer Träger kann sich vorstellen, in Ihren Räumlichkeiten auch seine Angebote stattfinden zu lassen. Dies alles sind gute Zeichen für eine solide Zukunftsbasis. Idealerweise haben Sie ein Bild vor Augen, welche Rolle dieses Gebäude in Zukunft für die lokale und regionale Sichtbarkeit der evangelischen Kirche hat.
Rücklagen bilden – neue Finanzierungsquellen erschließen
Für ein gelbes Gebäude benötigen Sie entsprechende Finanzrücklagen. Einerseits sollte eine Bewirtschaftungsrücklage vorhanden sein, mit der man Reparaturen in der Größenordnung bis zum Austausch eines Heizungssystems bezahlen kann. Diese muss nach einer Entnahme auch wieder aufgefüllt werden können. Für eine langfristige Unterhaltung benötigen Sie Mittel im Umfang einer Gebäudesanierung. Grob gerechnet können Sie dabei von etwa 500 bis 600 Euro pro qm für eine einfache Sanierung ausgehen. Handelt es sich um eine energetische Sanierung, verdoppeln sich diese Kosten. Natürlich sind dann auch höhere staatliche Zuschüsse (z.B. KFW) zu erwarten. Die realistischen Zahlen sind im besten Falle als Annäherungswerte in Ihrem Gebäudegutachten enthalten. Je nach Zustand des Gebäudes benötigen Sie also einen Plan oder eine Perspektive, zum Zeitpunkt des Erreichens der Gebäudegrenze auch diesen Betrag in eine Sanierung zu investieren. Je besser der Zustand eines Gebäudes ist, desto länger haben Sie Zeit, diese Sanierungsrücklage zu bilden. Bis zum 1. Januar 2027 wird es Ihnen in der Regel noch nicht gelungen sein, ein erweitertes Nutzungskonzept samt Finanzierungsplan vorlegen zu können. Die Empfehlung legt aber nahe, dass eine solche Umsetzung immerhin möglich erscheint.Förderkreis, Fundraising etc.
Auch für diese Phase gibt es unterstützende Maßnahmen. Die Gründung und Forcierung eines Förderkreises oder eines Fördervereines bietet sich an. Kirchbauvereine, wie sie aus den neuen Bundesländern bekannt sind, können hier Impulse geben. Best Practice Beispiele stellen wir Ihnen ebenfalls hier vor. Die öffentlichkeitswirksame Kommunikation ist auf diesem Weg besonders wichtig. Dabei unterstützen wir Sie. Fundraising ist hier ein wichtiger Baustein und ganz praktisch kann hier auch die Unterstützung durch freiwilliges Engagement bis hin zum handwerklichen Bereich hilfreich sein.Toolempfehlung: Vortrag Sozialraumorientierung, Workshop Sozialraum, Workshop Handlungsraum Erhalt, Fundraising, Förderkreis, Trägerverein, Checklisten z.B. für Vermietung
2.3.2. Realistisch Handeln: Rot oder Empfehlung zur Ab- oder Aufgabe eines Gebäudes
Auf den Punkt gebracht: Es wird nicht gelingen, alle Gebäude zu erhalten. Das muss man leider einfach klar erkennen. Daran ist niemand schuld. Es ist eine Folge der gesellschaftlichen Veränderungen und vielleicht findet die nachfolgende Generationen neue Lösungen für Gebäude, die wir nur noch stilllegen können.
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Genauer gesagt...
Die Notwendigkeit, den kirchlichen Gebäudebestand den zurückgehenden Mitgliederzahlen und der Veränderung der Gesellschaft in Deutschland anzupassen, besteht schon mehrere Jahrzehnte. Bisher konnte man allerdings noch aus und von der Substanz leben. Das kommt jetzt zu einem Ende. Das gilt aber nicht nur für die kirchliche, sondern auch für die gesellschaftliche Infrastruktur. Die Bahn und die Brücken in Deutschland sind dafür ein Beispiel. Das muss und darf auch selbstkritisch gesagt werden. Ein Sondervermögen, wie es jetzt politisch mobilisiert werden konnte, ist für die kirchlichen Gebäude leider nicht zu erwarten. Im Grunde schauen wir in diesem Korridor der Realität am direktesten ins Auge.
Neue Rahmenbedingungen erfordern harte und mutige Entscheidungen
Wenn sich nach dem Sammeln und Auswerten der Daten für ein Gebäude abzeichnet, dass neben der bisherigen Nutzung kaum eine oder keine weitere Nutzung generiert werden kann, dann ist die Zukunftsperspektive deutlich eingetrübt. Wenn eine Kirchengemeinde nicht in der Lage ist, die benötigten Rücklagen etwa durch angemessene Mieteinnahmen oder durch Sponsoring o.ä. aufzubauen, dann ist das Fundament für eine zukunftsfähige und dauerhafte Nutzung kaum tragfähig. Leider werden wir nicht umhinkommen, dies für etliche unserer Gebäude feststellen zu müssen.Nicht finanzierbare Gebäude sind rote Gebäude - auch Kirchen
Darunter werden auch Kirchen sein und das schmerzt uns am meisten. Der Bereich der Gebäude, die mit der Farbe Rot gekennzeichnet werden müssen, liegt bei 30% bis 40%. Auch das ist ein Annäherungswert, der sich in Zukunft an der Realität messen lassen muss.
Offen bleibt, wie mit den roten Gebäuden über die Zeit umgegangen wird
Zunächst und besonders wichtig ist aber gerade in diesem Korridor die Feststellung, dass mit der Empfehlung natürlich keine Vorgabe und auch kein Zeitlimit verbunden ist.
Vielmehr müssen gute und tragfähige Antworten gefunden werden für die mit diesem Korridor verbundenen Herausforderungen. Der richtige Zeitpunkt für die Abgabe eines Gebäudes muss wohl abgewogen und überlegt sein. Einerseits hat die Landeskirche bis Ende 2030 einen Anreiz geschaffen, Liegenschaften zu veräußern, die auf Pfarreiland liegen. Andererseits können noch viele Gebäude auch ohne erweiterte Nutzungskonzepte für viele Jahre bis an ihre Nutzungsgrenze weiter genutzt werden. Entscheidet sich die Kirchengemeinde für einen frühen Verkauf, kann sie den Erlös zielgerichtet in die Erhaltung eines anderen Gebäudes investieren. Fällt die Entscheidung auf eine möglichst lange Nutzung bis zur Aufgabe, muss die Kirchengemeinde zumindest eigene Rücklagen für den Betrieb und dann auch für ggf. die Verkehrssicherung bzw. den Abriss bilden. Dies muss abgewogen und realistisch entschieden werden.
Möglichst früh sollte man damit beginnen, ein Abschiedsszenario vorzubereiten. Vielleicht entsteht ein Bildband mit lebendigen Erinnerungen oder es gibt eine besondere Veranstaltungsreihe. Die liturgische Kammer hat bereits eine Liturgie entworfen, mit der man am Ende dann auch die Aufgabe eines Gebäudes würdig gestalten kann.Konflikte moderieren
Es ist erwartbar, dass diese Empfehlung besonders stark infrage gestellt wird. Auch das Konfliktpotential ist hier besonders hoch. Umso wichtiger ist es, zu einer Entscheidung, die man nach Abwägung der Daten realistisch getroffen hat, dann auch zu stehen. Dabei möchten wir Sie unterstützen mit Angeboten zur Kommunikation, Moderation und Mediation.Spirituelle Begleitung
Eine besondere Rolle spielt in diesem Korridor die geistliche Dimension. Auf der einen Seite muss man theologisch ernstnehmen, dass die Verkündigung des Evangeliums nicht abhängig ist von kirchlichen Gebäuden. Das Evangelium kann überall verkündet und gelebt werden, zuhause, auf der grünen Wiese und natürlich auch in Gebäuden. Auf der anderen Seite sind kirchliche Gebäude selbstverständlich ein Sinnbild für die Verkündigung. Hier kommen die Gläubigen sichtbar zusammen und teilen ihren Glauben. Die Gebäude sind Anlaufpunkte für Hilfesuchende und Fragende und haben sich tief in die Identität eines Ortes eingeschrieben. Möglicherweise ergibt sich hier aber auch ein Potential: könnte es etwa gelingen, ein Gebäude an die Kommune oder die Stadt oder einen anderen Träger zu übergeben und gleichzeitig damit eine dauerhafte Nutzungserlaubnis für die Kirchengemeinde zu verbinden? Allzu leicht wird das nicht sein, denn auch die Kommunen und Städte haben mit einer zu hohen Infrastruktur zu kämpfen, für die sie nicht immer auskömmliche Finanzierungen generieren können. Aber das sollte vor Ort abgewogen werden.
Dieses Spannungsfeld lässt sich nicht ohne Reibungen und Konflikte auflösen, wenn wir realistisch und ernsthaft die Reduktion des Gebäudebestandes betreiben müssen. Neben den Zahlen und Fakten spielen hier auch in besonderer Weise das religiöse Empfinden und die Glaubensgewissheit eine Rolle.Nutzungsperspektiven können sich im Laufe der Zeit verändern
Neben der Option des Verkaufes kommt in diesem Korridor sehr wahrscheinlich auch die Option der Stilllegung in den Blick. Es gibt bereits Kirchen, die zum Verkauf stehen, aber keinen Käufer finden. Angesichts der Tatsache, dass mit Abstand die meisten Kirchen und Gebäude dem Denkmalschutz unterliegen, verwundert das nicht. Auch wenn es besonders schwerfällt, diesen Weg zu denken, wird er sicher häufig in Betracht kommen müssen. Das Gebäude wird, solange es geht, genutzt und dann stillgelegt, weil die Kosten nicht mehr zu tragen sind sich keine neue Perspektive ergeben hat. Interessanterweise zeigt sich bisweilen, dass sich für manche Kirche erst nach einigen Jahren der Stilllegung plötzlich eine neue und tragfähige Perspektive ergibt. Auch dieser „rote“ Korridor für ein Gebäude bietet noch einige Ansatzpunkte, über die Stilllegung oder den Verkauf hinaus Perspektiven zu entwickeln.Es lohnt sich also, nach der Weichenstellung auch hier früh umzudenken und die Möglichkeiten angesichts einer absehbaren Ab- oder Aufgabe zu prüfen und zu entdecken.
Toolempfehlung: Workshop Handlungsraum Abgabe, Reportage "Kirche zu - was jetzt?", Ablauf Verkauf, Moderation, Mediation, Kommunikation, Geistliche Dimension
3. Was kommt dabei heraus?
Auf den Punkt gebracht: Kirche ist Kirche auf dem Weg. Weniger Gebäude bedeuten nicht automatisch weniger Wirksamkeit. Solange uns der Wunsch und die gemeinsame Aufgabe verbindet, das Evangelium rein zu lehren und die Sakramente recht zu verwalten, werden wir gemeinsame Wege auch in eine ungewissere Zukunft finden.
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Genauer gesagt...
Ein Gebäudeprozess wie der, in dem wir uns gerade befinden, lässt sich nicht steuern wie ein vollgetanktes oder vollgeladenes und intaktes Auto auf der Autobahn Richtung Süden. Die Autos sind bisweilen in bedenklichem Zustand und der Tank ist alles andere als voll. Für manche Orte werden sich gute Lösungen finden, weil es vor Ort gute Kontakte und gemeinsame Interessen gibt. Andernorts wird man trotz größter Bemühungen und gemeindlicher Anstrengungen am Ende keine andere Lösung als die Stilllegung finden.
Wenn man bedenkt, dass die Mitgliederzahl der Kirchen in den letzten 30 Jahren um etwa 50% gesunken ist, der Gebäudebestand im gleichen Zeitraum aber nur um etwa 1,5 %, dann ist das durchwachsene Bild nur eine unabweisbare Konsequenz. Vieles wird sich in den nächsten Jahren vielleicht auch dadurch regeln, dass man vor Ort nicht die Kraft und Unterstützung hat, diesen Prozess aktiv zu gestalten.
Wir werden in den nächsten Jahren sinnvollerweise und notgedrungen eine Entwicklung von einer lokal-parochialen und alle kirchlichen Handlungsfelder umfassenden hin zu einer regionaleren und funktionaleren, also mit Schwerpunkten arbeitenden Kirche durchlaufen. Die dafür maßgeblichen Faktoren sind der Rückgang der Zahl der Kirchenmitglieder, der zunehmende Mangel an Pfarrerinnen und Pfarrern und die wachsende finanzielle Notwendigkeit, die Anzahl der Gebäude deutlich zu reduzieren.
Je eher und konstruktiver die Gemeinden zusammenarbeiten, desto besser wird sich eine verzahnte Infrastruktur aufbauen lassen, in der die Schwerpunkte gut sichtbar und regional wirksam sind. An die Stelle des Anspruches, dass in jeder Kirchengemeinde und möglichst in jedem Ort alles gemacht wird, tritt hoffentlich die Erfahrung, dass es für alles einen guten kirchlichen Ort gibt.